Im Sommer 2015 haben rund 1’200 Bewohner die dreizehn Häuser des Projekt N°1 der Baugenossenschaft «Mehr als Wohnen» bezogen. «Mit den Augen der Anderen» ist das lebendige Portrait zweier Häuser auf dem Hunziker Areal in Zürich, gefilmt aus der Sicht seiner Bewohner. Im September 2015 feierte der Film in der Architektur Galerie Berlin unter gleichem Namen seine Premiere.
Auf dem Zürcher Hunzikerareal entstanden in den vergangenen Jahren insgesamt 450 Wohnungen, Läden, Restaurants, Arbeits- und Künstlerateliers, Kinderkrippen und eine Gästepension. Neben der städtebaulichen Masterplan (ARGE Duplex Architekten mit Futurafrosch) sind Duplex Architekten für zwei Gebäude auf dem Areal, die Häuser A und M, architektonisch verantwortlich. Unsere Vision war, statt einer Siedlung ein Stück Stadt zu schaffen. Die nun eingezogenen Bewohner werden mit der Zeit alte Spuren entdecken und neue hinterlassen. Sie werden sich die Räume zu eigen machen, die andere für sie erdacht haben. Natürlich hoffen wir, dass sich die Hausgemeinschaften einzeln, aber auch untereinander, zu einem starken sozialen Geflecht entwickeln werden. Vielleicht wird dieser Ort, der noch vor Kurzem eine Industriebrache war, im Rückblick für den Einen oder Anderen gar ein Stück Heimat werden. Erst jetzt, mit den Menschen darin, wird aus einer Gruppe von Häusern ein Quartier entstehen. «Mit den Augen der Anderen» ist ein Filmprojekt, mit dem wir diesen historischen Moment begleiten: Aus unmittelbarer Nähe schauen wir der beginnenden Nachbarschaft beim Wachsen zu. Kann Konzeptkunst ein Katalysator sein für Nachbarschaft? Einer der Bewohner hat es viel schöner ausgedrückt: «Innerhalb von sieben Tagen habe ich hier mehr Leute kennengelernt als am anderen Ort in sieben Jahren.» Das macht uns ein wenig stolz.
Kurz nach dem Einzug haben wir in einem Zeitraum von sechs Wochen als stille Regisseure mit den Bewohnern und Bewohnerinnen «unserer» Häuser schriftlich kommuniziert. In Form von Regieanweisungen haben wir sie aufgefordert, die verschiedenen Orte ihres neuen Zuhauses filmisch abzutasten. Sie sind die Akteure in diesem Film: Protagonisten und Kameraleute zugleich. Diese Website offenbart das Konzept hinter dem Film, dem man sich spielerisch nähern kann. Sequenzen einzelner Filmstills sind den konkreten Handlungs- und Filmanweisungen zugeordnet. Als zusätzliche Motivation wurde jede Regieanweisung durch «Fundstücke» ergänzt: Es sind kleine Filmausschnitte, Entdeckungen aus dem world wide web, sie sind assoziativ oder informativ, ernst oder lustig – und können die Welt vielleicht für einen kurzen Moment ein kleines bisschen grösser machen. Während der Drehzeit haben wir ausserdem über diese Website das filmische Rohmaterial gesammelt. So konnten die Bewohner bereits in dieser Zeit virtuell ihre Türen öffnen und sich gegenseitig kennenlernen. Sie waren für die Dauer dieser Aufträge Verbündete im Geiste – manchmal gar Objekt oder Subjekt kontrollierter Grenzüberschreitungen.
Die einzelnen Beiträge wurden sortiert, komprimiert und professionell geschnitten. Aus unzähligen Gigabytes roher Daten ist als Konzentrat ein 15-minütiger «mood clip» entstanden. Es ist ein poetischer Film ohne Text und ohne Geschichte, eine Momentaufnahme und einzigartige Gemeinschaftsarbeit, die das Leben auf dem Hunziker Areal zeigt, wie es wirklich ist. Es sind die kleinen Rituale des Alltags, die uns interessieren. In einer Zeit voller durchkomponierter Selbstinszenierungen ist der Blick auf das Gewöhnliche eine kleine Sensation. So ist das Authentische der eigentliche Schatz dieser Arbeit. Es ist auch unser ganz persönlicher Abschied von diesem Projekt, das uns lange begleitet und weit getragen hat. Die Vision wird Wirklichkeit: Aus einer Gruppe von Fremden entsteht Nachbarschaft. Das Haus im Hintergrund ist das Gehäuse, das in ganz unterschiedlicher Weise in Beschlag genommen wird. Es bringt die Menschen zusammen. So sind es auch die Menschen, die im Zentrum des Films stehen. Dennoch, die Architektur ist mehr als nur Kulisse: Sie spielt die stumme Hauptrolle.